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Wem vertraut man heute eigentlich noch?

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Ich habe ganz bewusst formuliert: “Wem vertraut man heute eigentlich noch?”. Im Zusammenhang mit der Krim-Krise und den gestörten Beziehungen des Westens zu Russland trat als aktuelle Folge der Annexion der Krim das verlorenen Vertrauens wieder und wieder zum Vorschein. Medien und Politiker spekulieren darüber, dass Putin auf Jahre hinaus Glaubwürdigkeit und Vertrauen eingebüßt habe.

Wahrscheinlich stimmt das. Aber was ist mit unserer wackligen Position? Der Westen hat viele Fehler gemacht. Warum wird dies nicht abgewogen und in den Verhandlungen scheinbar so wenig berücksichtigt?

Ich finde, generell müssen wir in dieser Frage einen viel größeren Bogen schlagen. Vertrauen wir unseren Politikern, den Religion und Medien, unseren Ärzten, Rechtsanwälten, unseren Chefs, den Gewerkschaften? Wem vertrauen wir eigentlich überhaupt noch?

Ich muss nicht lange darüber nachdenken. Ich vertraue nur noch ganz wenigen Menschen. Vielleicht bekomme ich 10 zusammen. Mehr sind es gewiss nicht. Der Kreis ist beschränkt auf meine Frau, meine Familie und wenige Freunde. Aus. Ist das normal, ist das gut? Hat sich erst in den letzten Jahren daran etwas geändert? Wodurch hat sich dieser vermeintlich allgemeine Vertrauensverlust eingestellt?

Sicher wären als erstes persönliche Erfahrungen zu nennen. Man könnte vielleicht sagen, je älter ein Mensch wird, desto mehr ist er gefährdet, sein lange bestehendes Grundvertrauen nach und nach zu verlieren. Ein Satz wie: “Man lernt nie aus” muss insofern durchaus keinen positiven Beiklang haben, sondern kann auch ein Anzeichen von Resignation sein.

Jetzt kommt mein unvermeidlicher Satz: Eine Mitschuld am Verlust unseres Grundvertrauens trägt das Internet. Mein Stichwort lautet: Negative Verstärkung. Die begegnet mir im Internet an allen Ecken. Nicht nur in den Leserkommentaren, in sozialen Netzwerken. Auch in Artikeln so genannter seriöser Zeitungen oder den Web-Dependancen der Fernsehanstalten – vor allem allerdings in den jeweiligen Webpräsenzen.

Mir ist klar, dass viele das schon deshalb nicht gelten lassen werden, weil ja auf diesem Gebiet generell nicht sein kann, was nicht sein darf. Nach der Devise wurde auch in der Vergangenheit immer gehandelt. Und Fortschritt lässt sich i.d.R. nicht aufhalten – vom 2-Liter-Auto einmal abgesehen.

Dass Kinder ihre Kindheit am Computer verbringen und dabei mannigfaltige Störungen (nicht nur körperliche) entwickeln, dass Gewalt im Spiel, im Kino und natürlich im Internet eine dramatische Verrohung von Menschen zwangsläufig nach sich ziehen muss – all das sind Behauptungen, die natürlich überhaupt nicht neu sind, die aber im allgemeinen Meinungsbrei völlig umstritten sind und deshalb auch nie zu Konsequenzen geführt haben und auch künftig nicht führen werden.

Wenn mich ein Verkäufer am Telefon behelligt (was prinzipiell im Normalfall ja gar nicht erlaubt ist), höre ich mir seine Litanei gar nicht erst an, sondern kanzle die Frau oder den Mann oft in einer barschen Weise ab. Mein gutes Recht. Schließlich wissen diese Leute, dass sie das eigentlich gar nicht tun dürfen – von Ausnahmen einmal abgesehen. Im Grunde entspricht meine seltsame und unfreundliche Reaktion wohl (m)einem tiefen Misstrauen. “Mein gutes Recht” – auch so ein Stichwort. Wenn man sich anschaut, wie viele Privatklagen es in Deutschland aufgrund geradezu lächerlicher Kleinigkeiten gibt, wird einem doch ganz anders. Auch das hat im weiteren Sinne etwas mit dem zu tun, was ich als allgemeinen Vertrauensverlust ausgemacht habe.

Könnt ihr ein bisschen von dem nachvollziehen, was ich aufgeschrieben habe oder seht ihr das anders? Vielleicht seht ihr das grundlegend anders oder habt andere Gründe für unseren Vertrauensverlust ausgemacht.

Foto von: Marius ZieroldCC BY-NC-SA 2.0


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